Donnerstag, 22. April 2010
No fun
Für Außenstehende mag jeder Alltag, jedes meiner Wochenenden, ja, mein gesamtes Leben öd und langweilig wirken. Total langweilig. Geradezu gähnend langweilig. Ich hingegen versichere Ihnen, dass ich bereits morgens, beim Öffnen des Briefkastens, die erste Überdosis Aufregung und Turbulenz verpasst bekomme, so zwischen Eingangsrechnungen, Behördenschreiben und Vorladungen. Bevor die Wirkung abebben kann, ziehe ich die täglichen Kontoauszüge, privat und geschäftlich. Das Jonglieren mit dem, was da ist, und dem, was bezahlt werden muss, hält den Adrenalinspiegel schön gleichmäßig hoch.

Bevor es mir dann doch mal langweilig werden könnte, bewerfen mich meine den Kinderschuhen entwachsenen Kinder mit ihren Problemen, welche - natürlich - meistens allerherrlichst selbstverursacht sind, aber dennoch irgendwie aus der Welt geschafft werden müssen, so weit reicht das kindliche Engagement dann ja doch nicht, Sie verstehen schon.

Sollte das dann nicht ganz ausreichen, ich mich doch irgendwie öd und gelangweilt fühlen, gibt es noch andere Menschen und Nichtmenschen, hübsch über die ganze Nation verteilt, die Probleme haben und zu deren Lösung ich doch vielleicht irgendwie beitragen könnte. Von meinen eigenen Problemen will ich ja gar nicht erst anfangen, die kommen mal irgendwann zwischendurch dran, wenn sich ein Langeweileloch am Horizont abzuzeichnen droht, quasi einen Schatten wirft, oder einen Schatten zu werfen droht. Oder so.

Sie werden also sicherlich verstehen, dass ich Ihnen das Empfinden von Öde und Langweile in meiner Nähe gerne zugestehe, dieses jedoch keineswegs teile. Hauen Sie mir also ab mit Aufregung und Abenteuern, das ist keineswegs das, was mir in meinem nunmehr jahrlangen "Leben am Marterpfahl" fehlen würde. Fahren Sie doch irgendwohin in die Karibik und praktizieren dort ungeschützten Sex, oder reisen Sie mit der Deutschen Bahn einmal ganz von Nord nach Süd mit nur zwei Tagen genehmigten Urlaub, oder ringen Sie an einem Aldi-Aktionstag mit einer kopfbetuchten Kampfsaumutter um das letzte Paar blauer Kinderstrumpfhosen - tun Sie, was immer Sie tun müssen, aber lassen Sie mich da raus, mir ist ganz und gar nicht langweilig, im Gegenteil, ich genieße jede an Langeweile erinnernde Regung in mir außerordentlich.

Hossa.

[... schrieb´s und bekam den nächsten unlangweiligen Anruf...]