Hörbst, Hörbst!
Polly Pocket blutet ihre Läufigkeit durch Haus und Hof und erbricht dabei Reste des gestrigen Abendmahls plus pfützchenweise Galle, der Röchelknöchel tappt, seit dreizehn Jahren schon ohne Sinn und vermutlich auch ohne Verstand, sabbernd ihrer Hitze hinterher, vergisst dabei, dass er selbst auch gewisse Bedürfnisse hat und kackt mal wieder fehl am Platze. Die Fische fressen sich gegenseitig die Schuppen vom Leib und lassen das Wasser im 2-Wochen-Takt umschlagen. Mir ist schlecht und stündlich schlechter, denke ich an den Dezember und die anstehende, nicht mich betreffende, aber dennoch aus den Schuhen hauende Prüfung. Sorgen hier und Kummer da und über allem die Lust und Laune, einfach einen Koffer zu packen und irgendwohin zu fahren. Wohin genau, ist egal, einfach nur irgendwohin, nur nicht in die Nähe von jenem, der bei genauerer Betrachtung zwar das Wühlen in meinen Eingeweiden hervorruft, aber dennoch keine Schuld daran trägt. Diese ist meine alleine. So, wie Schuld das immer ist. Das ist übrigens der Vorteil von Schuld: sie ist so herrlich einseitig, dass sie einen Einfachheitsorden dafür verdient hat.
Der Wind faucht ums Haus, befreit das sommerliche Glockenspiel aus dem Netz des Schweigens, reißt das rote Laub des wachstumssüchtigen Weins von der Hausfassade und regengepeitscht rostet das Gold des Oktobers vor sich hin.
Wegfahren, das wäre was. Stattdessen geh ich heut den ersten Tag wieder arbeiten. Nach fünf Wochen daheim auch so eine Herausforderung.
Komm, wir verschwinden nach Schottland ;)
Schottland, weil man da ohnehin nichts anderes als Regen erwartet? :)
Nein, weil es da wunderschön ist. Auch, wenn es mal regnet ;)
Oh fein, das wäre wirklich schön...
und wenn alles nicht mehr hilft nehemn wir die nächste scholle gen norden.
So ein richtiges Gruselwetter an der See... das hat was. Wollte ich immer schon mal. Ein Häuschen am Meer, schwerer Himmel, schwerer Seegang, schauen, lauschen, sonst nichts.
Ich hätte da noch eine leerstehende, natürlich beheizte und regenfeste Wohnung.
Öhm, ... Wein ist im Herbst wachstumssüchtig?
Wo? In Schottland?
Jepp. Der ist irgendwie wahnsinnig. So wie alles hier im und ums Haus.
Nein, ganz bei mir, ganz nah und ruhig. Man könnte Ösen in die Wand bohren, um zu fesseln.
Wein entblättert sich im Herbst.
Aha. Nah. Ruhig. Ösentaugliche Wand. Klingt jetzt aber nicht unbedingt nach Urlaub, Erholung und Untertauchen... obwohl, Letzteres vielleicht doch. :)
Ja, das tut er. Dunkelrot. Aber noch immer wuchernd. Meine Schlafzimmerfenster sind fast verschwunden. An Tagen, an denen die Sonne scheint, wenn sie denn mal scheint, scheint sie rot, gelb und grün durch die Weinblätter herein. Das ist auch der Grund, warum ich den Wein noch nicht gestutzt habe. Die doch vermehrt auftauchenden Spinnen nehme ich dafür gerne in Kauf.