dis.., dif.., di..
2425 Tage "on blog". Plus ein paar Wochen Anfänger-Myblog dazu. Da war es Sommer, warm, schwül, mit weit offenen Fenstern des nachts, und ich ein vollkommen anderer Mensch als heute. Vollkommen anders. Innen. Außen.
2425 plus ungefähr 60. Das macht 2485 Tage. Oder 6,8082 Jahre. Anfangs vollkommen unbekümmert gegenüber dem Wesen eines Blogs, gegenüber den Verwicklungen (zu denen ich mächtig beitrug), gegenüber den Verknüpfungen, die sich ergaben, vor allem jene, die ich gar nicht bewusst wahrnahm, und die mir erst später um die Ohren schlugen, gegenüber der Verantwortung, zuerst einmal mir selbst, und dann auch anderen gegenüber - Familie, Freunde und die, deren Wege ich im Netz kreuzte. Später dann zunehmend mit Stolpersteinen kämpfend, mit Emotionen, Schuldgefühlen (unsinnige und solche, die durchaus angebracht waren). Inzwischen mehr vorsichtig, als engagiert. Zögernd. Mit einem unguten Gefühl im Bauch.
Ich bin ein emotionaler Mensch (erst Emotion, dann Verstand, beides vorhanden, aber nicht gleichberechtigt am Start) und schreibe ebenso . Wer mich all die Jahre über begleitet hat (einige wenige, die ich allesamt persönlich kenne, Menschen, denen ich tatsächlich begegnet bin und deren Bedeutung für mich echt, begreifbar, begründet ist), weiß dieses. Jemand, der über das Wetter schreibt, über die Börse, oder Kochrezepte sammelt, schreibt anders als ich, über anderes als ich. Natürlich kann auch eine Rezeptsammlung vor Emotionen geradezu platzen, das Thema setzt dem jedoch gewisse Grenzen. Und natürlich lässt eine Rezeptsammlung gewisse Schlüsse den Verfasser betreffend zu, aber auch hier nur in gewissen Grenzen (wobei es den einen oder anderen geben mag, der sich sicher ist, würde ich eine Rezeptsammlung anlegen, würde er mich als Verfasserin aufgrund meines eindeutigen, sehr typischen Schreibstils dahinter erkennen).
Ich habe viel erlebt, in diesen 6,8082 Jahren Blogosphäre. Gutes und ungutes. Echtes und eingebildetes. Fantastisches und elendiges. Menschen getroffen, die so waren, wie sie schienen und solche, die ganz anders waren (so, wie auch ich auf Menschen mal so, mal so gewirkt habe). Es war überwiegend toll, wirklich toll, und das ohne Übertreibung, und eine handvoll dieser Menschen sind zu echten Personen geworden, solche, die Wirklichkeit sind, und deren echte Namen mir durch den Kopf gehen, denke ich an sie. Keine Blognicks, keine Kürzel, sondern echte Namen inmitten echten Lebens. Für diese Namen, Freunde, bin ich dankbar. Sie haben mir, wahrscheinlich ohne es zu wissen, geholfen, einige Weichen in meinem Leben zu stellen, so dass ich heute noch - oder wieder - atmen kann, ohne blau anzulaufen. Andere Begegnungen, eine ganz besonders, haben mir nicht gut getan, sondern, im Gegenteil, mich leider und obendrein ganz überflüssig, aus den Gleisen gehauen (wozu ich - natürlich - selbst beigetragen habe - jede Münze hat zwei Seiten. Plus Rand.)
Es gibt da noch zwei, drei Menschen, denen ich gerne persönlich in die Augen schauen möchte, weil sich über lange Zeit dieses seltsame Vertrautheitsgefühl (Vertrauen, ja, auch dieses) eingestellt hat, wie es nur im Web möglich ist, oder, wer das noch kennt, bei Brieffreundschaften. Ich weiß nicht, ob es jemals dazu kommen wird. Die Blogosphäre und ich, wir haben uns in den letzten Monaten ziemlich entzweit. Es hat sich eine kühle Distanz eingeschlichen, die sich nicht überbrücken lässt. Ein Unwohlsein. Zweifelndes Misstrauen.
Ein Freund hat es einmal so ausgedrückt: "Es frisst dich auf. Saugt Energie. Energie, die man anderswo braucht."
Ein anderer meinte: "Das ist nicht die echte Welt, das ist gar nichts."
Nun, gar nichts, nein, so kam und kommt es mir nicht vor. Dazu habe ich zuviel erlebt, in diesen Jahren. Das mit der Energie jedoch, das möchte ich bestätigen. Und dann ist da noch die Sache mit dem sich selbst preisgeben. Bloßstellen. Angreifbar machen. Die Halsschlagader anbieten. So, wie ich immer wieder, auch wider besseren Wissens, meine wunden Punkte zur Schau stellte und stelle, so treffen andere, mit oder ohne bewusstem Wissen, mit salzigen Fingerspitzen immer wieder genau dorthin. Das zu verhindern, beides, ist mir in den letzten Monaten (Jahren?) sicherlich immer besser gelungen, aber dafür ist das Schreibfeeling, das Fließen der Worte und Sätze, immer erbärmlicher geworden. Will ich mich selbst schützen, behüten, darf ich nicht über mich schreiben. Aber worüber dann? Über das Wetter? Die Börse? Sauerbratenrezepte?
Unzählige Texte sind geschrieben und vor der Veröffentlichung gelöscht worden. Andere sind solange umgestellt worden, bis ihr ursprünglicher Sinn vollkommen abhanden gekommen ist. Ich habe keine Freude mehr am Schreiben, weil ich jedes Wort kontrolliere, jede Zeile mit der Lupe untersuche. Ich habe keine Freude mehr am Blog, weil er ohne freies, freudiges Schreiben für mich keinen Sinn mehr macht. Nichts ist so hemmend wie die Selbstzensur.
Ich hoffe, dass sich mir liebe Kontakte auch ohne Blog weiterpflegen lassen. Und vielleicht wird es ja dennoch etwas mit den noch ausstehenden Begegnungen mit jenen Menschen, denen mein Vertrauen über alle die Jahre die Hand gehalten hat. Zu Recht, da bin ich mir sicher. Die in diesem Blog angegebene Mailadresse wird sich in vier Wochen ins Nichts auflösen, bis dahin werde ich jene, die mir ans Herz gewachsen sind, und die meine Hauptmailadresse nicht kennen, von einer neuen E-Post-Adresse in Kenntnis gesetzt haben. Wer nicht sicher ist, dazu zu gehören, sich mir aber über die Blogosphäre hinaus verbunden fühlt, kann mir in den nächsten vier Wochen ein paar begründende Zeilen schreiben.
Es war nicht immer gut, mit Blog, auch nicht immer schlecht, aber es hatte rückblickend betrachtet an manchen Stellen einen wahrhaftigen Sinn. Vielleicht nicht immer für die Anderen, für mich jedoch ganz, ganz sicherlich.
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„Es ist an der Zeit, daß ich das Feld räume. Ich beginne, die Dinge so zu sehen, wie sie sind.”